Organisationen als Mobile: Was passiert, wenn sich ein Element verändert?
Alles hängt mit allem zusammen: Wenn sich in einer Organisation ein Teil verändert, geraten andere mit in Bewegung. Wie das systemische Bild des Mobiles hilft, Veränderung besser zu verstehen – und zu gestalten.
In einem Erstgespräch mit der Inhaberin eines Familienbetriebs sagte sie zu mir: „Wir haben eigentlich nur eine neue Teamleitung eingestellt – und jetzt ist irgendwie alles durcheinander.“ Diese Reaktion ist typisch. Veränderung wird häufig als punktuelles Ereignis verstanden – mit lokaler Wirkung. Systemisch betrachtet jedoch funktioniert Organisation anders: wie ein Mobile. Wenn sich ein Teil bewegt, bewegt sich alles. Die Kunst liegt darin, nicht nur die Bewegung zu steuern – sondern sie zu verstehen.
Das Mobile als Denkbild:
Ein Mobile ist ein schwebendes Gleichgewicht: Alle Teile hängen miteinander zusammen. Wenn man an einer Stelle zieht oder etwas hinzufügt, verändert sich die gesamte Statik. So funktioniert auch Organisation: Neue Rollen, andere Arbeitsweisen, Wechsel in der Führung – all das bringt nicht nur Bewegung an einer Stelle, sondern in der gesamten Dynamik des Systems.
Praxisbeispiel aus einem Ingenieurbüro:
Ein Bauplanungsunternehmen aus Potsdam wollte den langjährigen Projektleiter durch einen jüngeren Kollegen ersetzen – geplanter Wissenstransfer, behutsame Übergabe. Doch was folgte, war Unsicherheit: Die alten Kollegen zogen sich zurück, Projektbesprechungen wurden angespannter, Entscheidungsprozesse zäh. Auf den ersten Blick: ein „Übergabeproblem“. Bei näherem Hinsehen zeigte sich: Die Rolle des alten Projektleiters war viel mehr als fachlich – er war auch Vermittler, Stimmungsträger, Vertrauensanker. Mit seinem Rückzug fehlte plötzlich ein zentrales Element im Mobile – und das gesamte Gleichgewicht kippte.
Systemische Intervention:
In der Beratung arbeiteten wir nicht nur an der Rollenklarheit des Neuen, sondern gemeinsam mit dem Team an der Frage: Welche impliziten Funktionen fehlen gerade – und wie wollen wir sie künftig organisieren? Dabei ging es weniger um Aufgabenverteilung als um Beziehungsgestaltung und Kommunikationswege. Das Mobile fand ein neues Gleichgewicht – nicht durch Rückkehr zum Alten, sondern durch bewusste Neuverhandlung.
Bewegung verstehen statt stoppen:
Systemische OE lädt ein, Bewegungen im System nicht zu bewerten, sondern zu beobachten:
Wer bewegt sich – freiwillig oder unfreiwillig?
Welche Reaktionen zeigen andere Teile des Systems?
Wo entsteht Spannung – und wo vielleicht neue Stabilität?
Gerade in KMU, wo viele Funktionen auf wenigen Schultern lasten, sind Veränderungen oft persönlich spürbar. Das Mobile-Bild hilft, diese Prozesse zu de-dramatisieren – und sie gleichzeitig ernst zu nehmen.
Fazit:
Organisationen sind keine statischen Gebilde. Sie sind dynamisch, sensibel und komplex – wie ein Mobile. Systemisches Denken bietet hier nicht nur ein Erklärungsmodell, sondern ein Handlungsmodell: Wer versteht, wie sich alles aufeinander bezieht, kann Veränderung nicht nur aushalten – sondern gestalten. Und manchmal reicht es, an einer Stelle nicht zu ziehen, sondern zuzuhören, was das Mobile einem zeigen will.
Ich bin Daniela Wilberg, systemische Organisationsentwicklerin. Wenn Sie mehr erfahren möchten: Lesen Sie gern weitere Artikel oder treten Sie mit mir in Kontakt.