Von der Maschine zum Organismus: Metaphern als Schlüssel zum Organisationsverständnis
Organisationen als Maschinen oder als lebende Systeme? Systemische OE nutzt Metaphern, um neue Handlungsspielräume zu eröffnen – besonders für KMU im Wandel.
„Ich muss meine Leute einfach wieder auf Spur bringen.“ – Ein Satz, den ich in Beratungen oft höre. Dahinter steckt meist ein Bild: die Vorstellung, dass Organisationen wie Maschinen funktionieren. Wenn ein Teil nicht rund läuft, muss man justieren, reparieren, vielleicht austauschen. Doch was, wenn dieses Bild selbst Teil des Problems ist?
Systemische Organisationsentwicklung stellt diesem mechanistischen Denken ein anderes gegenüber: das Bild des Organismus. Organisationen als lebende Systeme – nicht steuerbar im klassischen Sinn, aber lern- und anpassungsfähig, mit Eigenlogik und Entwicklungspotenzial. Gerade in mittelständischen Unternehmen, wo Nähe, Kultur und Persönlichkeit eine große Rolle spielen, wirkt dieses Bild besonders kraftvoll.
Maschine oder Organismus – mehr als nur Worte:
Ein unternehmergeführter Betrieb aus dem Metallbau, mit rund 60 Mitarbeitenden, stand vor einem digitalen Umbruch. Neue ERP-Software, veränderte Prozesse, Schulungsdruck. Der Inhaber – ein technisch denkender, lösungsorientierter Typ – sprach oft von „Optimierung“ und „Effizienzsteigerung“. Doch das Team reagierte mit Widerstand. In einer Reflexionsrunde wurde klar: Die Sprache der Führung („Wir müssen nur die Zahnräder neu sortieren“) passte nicht zu den Erfahrungen der Mitarbeitenden („Ich habe Sorge, dass ich ersetzt werde“).
In einem Workshop arbeiteten wir mit Metaphern. Die Führungskraft blieb zunächst bei der Maschine. Doch durch den Austausch entstand ein neues Bild: „Vielleicht sind wir eher ein Garten. Wenn ich zu sehr am Gras ziehe, wächst es auch nicht schneller.“ Dieses Bild veränderte das Führungsverhalten. Es ging nicht mehr um Kontrolle – sondern um Pflege, Aufmerksamkeit, Bedingungen für Wachstum.
Was Metaphern bewirken:
Metaphern steuern nicht nur, wie wir sprechen – sondern wie wir handeln:
Wer Organisation als Maschine denkt, erwartet planbare Reaktionen. Das erzeugt Druck und Schuldzuweisungen, wenn Menschen „nicht funktionieren“.
Wer Organisation als lebendiges System denkt, akzeptiert Nichtwissen, fördert Dialog und erlaubt Entwicklung. Es entsteht Raum für Beteiligung und Kreativität.
Ein weiteres Beispiel:
In einem sozialen Trägerverein mit rund 80 Mitarbeitenden war die Sprache voller Biologie: „Wir müssen wieder atmen können“, „Es fühlt sich verstopft an“. Diese Metaphern waren nicht willkürlich – sie beschrieben sehr genau die systemische Enge, die durch zu viel Standardisierung entstanden war. Gemeinsam entwickelten wir neue Bilder für Führung („Kompass statt Steuerpult“) und für Zusammenarbeit („ein Netzwerk, das Impulse weiterträgt“). Diese neue Sprache veränderte die Struktur nicht sofort – aber sie veränderte, wie über Struktur gesprochen wurde. Und das machte Veränderung überhaupt erst möglich.
Systemische Praxis mit Metaphern:
In Workshops: Metaphern aktiv machen („Wenn Ihre Organisation ein Tier wäre – welches?“)
In Coachinggesprächen: Sprachbilder erkennen und hinterfragen
In Veränderungsprozessen: Neue Bilder einführen und gemeinsam mit Leben füllen
Fazit:
Wie wir über Organisationen denken, entscheidet darüber, was wir in ihnen sehen – und was nicht. Metaphern sind keine Spielerei, sondern ein zentrales Werkzeug systemischer Organisationsentwicklung. Sie schaffen Zugänge, wo Konzepte versagen. Sie erzeugen Resonanz, wo Argumente verhallen. Und sie öffnen Räume für Entwicklung, wo vorher nur Reparatur gedacht wurde.
Gerade KMU, die sich zwischen Tradition und Wandel bewegen, profitieren davon: Ein gutes Bild kann helfen, den nächsten Schritt zu gehen – gemeinsam, bewusst und mit Blick auf das lebendige Ganze.
Ich bin Daniela Wilberg, systemische Organisationsentwicklerin. Wenn Sie mehr erfahren möchten: Lesen Sie gern weitere Artikel oder treten Sie mit mir in Kontakt.